Industrie
Kriselnde deutsche Industrie stabilisiert sich
5.12.2025, 15:42
Hoffnungsschimmer für die kriselnde deutsche Industrie: Auch im Oktober legten die Bestellungen im verarbeitenden Gewerbe im Monatsvergleich zu, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Im Vergleich zum Vormonat stiegen die Bestellungen um 1,5 Prozent. Das Plus fiel damit deutlich höher aus als von Analysten im Schnitt erwartet. Sie hatten nur mit einem Anstieg um 0,3 Prozent gerechnet. Im September war sie um nach oben revidiert 2,0 Prozent gestiegen.
«Die heutigen Daten zu den Auftragseingängen sind ein positives Signal und ein Indiz für die Stabilisierung der Lage in der deutschen Industrie», sagte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Etwas zurückhaltender kommentierte LBBW-Analyst Jens-Oliver Niklasch: «Das sieht jetzt immerhin mal ein bisschen nach Bodenbildung aus.»
Ohne die Berücksichtigung von schwankungsanfälligen Großaufträgen ergibt sich allerdings ein schwächerer Anstieg. In dieser Abgrenzung legte der Auftragseingang im Vergleich zum Vormonat um 0,5 Prozent zu. Allerdings war diese Kerngröße im Vormonat recht kräftig gestiegen.
«Aufschwungsignal lässt weiter auf sich warten»
«Damit kann man nun wieder eindeutig von einem Seitwärtstrend reden - sowohl bei der Gesamtgröße als auch bei der Kerngröße», schreibt Commerzbank-Experte Ralph Solveen. «Damit hat sich die Industrie wohl stabilisiert, ein Aufschwungsignal lässt aber weiter auf sich warten.»
Schwach entwickelten sich die Auslandsaufträge, die um vier Prozent zum Vormonat nachgaben. Laut Solveen dürfte dafür auch die Zollpolitik der US-Regierung verantwortlich sein. Die Inlandsaufträge stiegen hingegen um fast zehn Prozent. «Darin manifestieren sich die höheren Militär- und Infrastrukturausgaben der Bundesregierung», schreibt der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. «Vor allem die höheren Militärausgaben schlagen sich positiv nieder.»
Auch im Vorjahresvergleich überraschten die Zahlen positiv. Die Aufträge sanken zwar um 0,7 Prozent zum Vorjahresmonat. Analysten hatten im Schnitt aber mit einem viel deutlicheren Rückgang um 2,4 Prozent gerechnet.
Experte rechnet 2026 mit «nennenswertem Wachstum»
Der Chef des Chemiekonzerns BASF, Markus Kamieth, äußerte sich unterdessen kritisch zum vieldiskutierten Begriff der «Deindustrialisierung». Er möge das Wort nicht, sagte der Manager dem «Handelsblatt». «Wir sind ein Wirtschaftsraum mit hohem Industrieanteil an der Wertschöpfung. Das bleibt so, auch wenn er etwas sinken wird.» Unternehmen würden sich restrukturieren, Kapazitäten anpassen, aber auch viel neu investieren, erläuterte Kamieth. «Die Industrie in Deutschland wird nicht verschwinden.»
Für das kommende Jahr zeigt sich Commerzbank-Ökonom Solveen verhalten optimistisch. «Im kommenden Jahr dürfte es wegen der expansiven Finanzpolitik sogar wieder etwas aufwärtsgehen, ohne dass damit die strukturellen Probleme der deutschen Industrie und der gesamten deutschen Wirtschaft gelöst wären», heißt es in der Studie. «Darum rechnen wir für das kommende Jahr zwar zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder mit einem nennenswerten Wachstum der deutschen Wirtschaft, einen kraftvollen Aufschwung dürfte es aber weiter nicht geben.»
Ähnlich äußerte sich LBBW-Experte Niklasch. «Machen wir uns aber nichts vor: Bis wir wirklich Grund für Zuversicht haben, ist noch ein weiter Weg zurückzulegen», sagte er. «Die Frühindikatoren und viele Konjunkturdaten zeigen, dass die allgemeine Stimmung tiefschwarz ist.»