Militär

Sipri: Weltweite Rüstungsumsätze erreichen neuen Höchststand

1.12.2025, 13:32

Zahlreiche Staaten rüsten gerade massiv auf. Das schlägt sich auch auf die Verkaufszahlen der weltgrößten Rüstungskonzerne nieder. Besonders deutsche Waffenproduzenten nehmen deutlich mehr Geld ein.

Von Steffen Trumpf, dpa

Die Bedrohung durch Russland, die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen: Angesichts zahlreicher Konflikte hat die internationale Rüstungsindustrie einen neuen Umsatzrekord verzeichnet. Die 100 größten Waffenproduzenten der Erde steigerten ihre Einnahmen aus dem Verkauf von Rüstungsgütern und Militärdienstleistungen im Jahr 2024 um währungsbereinigte 5,9 Prozent, wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri in einem neuen Bericht mitteilte. Sie erreichten zusammen einen Umsatz von rund 679 Milliarden US-Dollar (entspricht aktuell rund 586 Milliarden Euro) - der höchste je verzeichnete Wert.

Angetrieben worden sei die Nachfrage nach Rüstungsgütern durch die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen, geopolitische Spannungen auf globalem wie regionalem Niveau sowie immer höhere Militärausgaben, berichten die Friedensforscher. Viele Produzenten hätten ihre Fertigungslinien ausgebaut, Anlagen vergrößert, Tochtergesellschaften gegründet oder andere Unternehmen übernommen.

Platzhirsch USA - und ein Novum für eine Elon-Musk-Firma

Absoluter Branchenprimus bleiben die USA: Gleich 39 der 100 weltgrößten Rüstungsunternehmen haben dort ihren Hauptsitz, darunter der unangefochtene Spitzenreiter Lockheed Martin sowie RTX und Northrop Grumman auf Rang zwei und drei der Sipri-Rangliste. Zusammen kommen die 39 US-Konzerne nach einem Zuwachs um 3,8 Prozent auf Rüstungsumsätze in Höhe von 334 Milliarden Dollar, also fast die Hälfte der weltweiten Summe. 

Erstmals tauchte dabei auch das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX (Platz 77) von Multimilliardär Elon Musk in den Top 100 auf: Die Rüstungseinnahmen des Unternehmens haben sich laut Sipri innerhalb eines Jahres auf 1,8 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt.

Problemlos läuft die Waffenproduktion in den USA allerdings nicht, wie Sipri anmerkt. Bei der Entwicklung und Produktion zentraler US-Rüstungsgüter wie dem hochmodernen Kampfjet vom Typ F-35, U-Booten der Columbia-Klasse und der Interkontinentalrakete Sentinel beobachtet das unabhängige Institut Verzögerungen und Budgetüberschreitungen. Dies sorge für Unsicherheiten, wann wichtige neue US-Waffensysteme und Upgrades für bestehende Systeme geliefert und eingesetzt werden könnten.

Großes Umsatzplus für deutsche Konzerne - Rheinmetall in Top 20

Deutlich legten die 26 aufgeführten Rüstungsunternehmen in Europa (ohne Russland) zu: Ihre gesammelten Umsätze wuchsen um 13 Prozent auf 151 Milliarden Dollar. «Dieser Anstieg war mit der Nachfrage aufgrund des Krieges in der Ukraine und der wahrgenommenen Bedrohung durch Russland verbunden», erläutert das Friedensforschungsinstitut. 

Die vier aufgeführten Konzerne aus Deutschland erzielten dabei zusammen einen Umsatzsprung um satte 36 Prozent auf nunmehr 14,9 Milliarden Dollar. Ein wesentlicher Grund dafür war laut Sipri die mit der russischen Bedrohungslage verbundene Nachfrage nach bodengestützten Luftabwehrsystemen, Munition und gepanzerten Fahrzeugen.

Deutschlands größter Rüstungskonzern Rheinmetall legte dabei besonders kräftig um 47 Prozent auf rund 8,2 Milliarden Dollar zu. Damit kletterte der Konzern in der Auflistung sechs Plätze nach oben und rangiert nun auf Platz 20. Auch ThyssenKrupp (Rang 61), Hensoldt (62) und Diehl (67) erzielten allesamt zweistellige Umsatzsprünge, womit sie ebenfalls jeweils mehrere Plätze nach oben rutschten. Airbus (Platz 13), MBDA (30) und KNDS (42) werden von Sipri als transeuropäische Konzerne eingestuft.

So wirken sich die Kriege auf die Rüstungseinnahmen aus

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine wirkt sich auch auf die Zahlen der Rüstungskonzerne in den beiden Ländern aus: Das ukrainische Unternehmen JSC Ukrainian Defense Industry steigerte seine Rüstungsumsätze demnach um 41 Prozent auf 3 Milliarden Dollar. Die beiden russischen Konzerne Rostec und United Shipbuilding Corporation kamen gemeinsam auf ein Plus von 23 Prozent auf 31,2 Milliarden Dollar - und das, obwohl internationale Sanktionen manche Rüstungskomponenten knapp werden ließen. Der eigene Bedarf des russischen Militärs machte die Verluste durch fallende Rüstungsexporte laut Sipri mehr als wett.

Und der Gaza-Krieg? Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen trug zum einen zu gesteigerten Umsätzen der drei israelischen Konzerne in der Auflistung bei, die zusammen ein Plus von 16 Prozent auf 16,2 Milliarden Dollar verzeichneten. Zum anderen ließ das globale Interesse an fortschrittlicher israelischer Militärausrüstung kaum nach - und das trotz der international gewachsenen Kritik an Israels Vorgehen in Gaza. Vielmehr hätten mehrere Staaten 2024 neue Bestellungen bei den israelischen Unternehmen in Auftrag gegeben, stellte Sipri-Expertin Subaida Karim fest.

China mit Problemen - und eine Herausforderung für Europa

Bei den Aufrüstungsbemühungen in Europa warnt Sipri derweil vor wachsenden Herausforderungen bei der Beschaffung der für die Rüstungsproduktion benötigten Materialien. Besonders die Abhängigkeit von kritischen Mineralien dürfte die europäischen Aufrüstungspläne erschweren, schätzte Sipri-Forscherin Jade Guiberteau Ricard ein. Bei solchen Mineralien ist Europa unter anderem stark auf Lieferungen aus China angewiesen, das etwa bei seltenen Erden quasi eine Monopolstellung innehat. 

Die chinesische Rüstungsindustrie ringt nach Angaben der Friedensforscher selbst mit ganz anderen Problemen. «Eine Reihe von Korruptionsvorwürfen bei der chinesischen Waffenbeschaffung haben dazu geführt, dass große Rüstungsaufträge 2024 aufgeschoben oder storniert wurden», berichtete Sipri-Experte Nan Tian.

Eine Folge davon ist, dass die chinesischen Rüstungsumsätze um 10 Prozent einbrachen. Dadurch gingen sie in der Region Asien und Ozeanien insgesamt - trotz beträchtlichen Zuwächsen in Japan und Südkorea - um 1,2 Prozent auf 130 Milliarden Dollar zurück. Damit war diese Weltregion die einzige mit rückläufigen Zahlen.

Greenpeace: Europa wird zum Aufrüstungs-Hotspot

Greenpeace kommentiert mit Blick auf die Sipri-Zahlen, dass sich die Rüstungsproduktion immer stärker Richtung Europa verlagert. Während die Einnahmen der US-Konzerne nur moderat angestiegen und in China sogar gesunken seien, seien sie auf dem hiesigen Kontinent förmlich explodiert, sagte Greenpeace-Abrüstungsexperte Alexander Lurz der Deutschen Presse-Agentur. «Europa wird immer mehr zum Hotspot der weltweiten Aufrüstung.» 

Das globale Allzeithoch bei den Rüstungsumsätzen zeige, dass die internationale Gemeinschaft auf dem falschen Weg immer schneller voranschreite. «Sicherheit und Frieden entstehen so sicher nicht», monierte Lurz.

Sipri-Berichte zur Rüstungsindustrie bereits seit Jahrzehnten

Die Sipri-Datenbank zu den globalen Rüstungsumsätzen wurde 1989 ins Leben gerufen. Seit 2015 umfassen die Daten des unabhängigen Instituts auch Informationen chinesischer Unternehmen. Sipri rechnet dabei jeglichen Verkauf von schweren Waffen und militärischen Dienstleistungen an militärische Abnehmer im In- und Ausland ein.